Ein Reisebericht von Maja Hauenstein
Gold
Die Sonne brennt mir ins Genick, der Schweiss läuft mir in die Augen und der Rücken schmerzt mich mehr als meine müde gewordenen Oberarme, in denen ich jedes Gefühl vermisse. Und doch treibt mich eine fiebrige Kraft an weiterzumachen – schwarze Pfanne ein weiteres Mal mit nassem Geschiebe aus dem kalten Fluss zu füllen und sie behutsam zu schwenken – in der Hoffnung endlich Gold zu finden. Goldklumpen, von denen in jedem Goldgräber-Roman die Rede ist, das ist mein Ziel. Dafür bin ich ans andere Ende der Welt gereist, Hier in Neuseeland, da wo in abgelegenen Tälern glasklare Bäche und Flüsse sich ihren Weg durch die Gesteinsschichten graben, da werde ich die Nuggets finden – oder ich gebe auf. Auf der abwechslungsreichen Wanderung durch die stille Landschaft sind wir an verlassenen Goldgräber Siedlungen vorbeigekommen. Die von braunrotem Rost überzogenen Geräte der Goldgräber, die hier professionell Gold gewaschen haben, zeigen uns: Wir sind auf dem richtigen Weg. Die aufgegebenen Siedlungen entmutigen uns nicht. Für eine kommerzielle Nutzung mag hier die Goldausbeute schon vor Jahrzehnten zu gering geworden sein, aber um unsere Goldträume zu verwirklichen reicht es sicher noch. Und einmal mehr lasse ich das eiskalte Wasser durch meine Pfanne kreisen, bis endlich das grobe vom feinen Material getrennt ist und mein Puls im gleichen Masse steigt.
Da – vergessen sind die stechenden Sandfliegen, der Rücken und vom vielen Schaufeln, die Blasen an den Händen, denn was jetzt in meiner Pfanne glänzt und träge neben dem feinen schwarzen Sand liegen bleibt ist Gold! Mein Freudenschrei erschreckt die Vögel der Wildnis und ruft meine Reisefreunde herbei. Jetzt ist bei allen jede Müdigkeit verflogen – wir machen also weiter. Während den nächsten Tagen waschen wir erfolgreich Gold was unser Gewissen überhaupt nicht belastet, im Gegenteil zum heutzutage viel beliebteren Sport des Geldwaschens. Für die harte Arbeit werden wir dagegen, nebst dem materiellen Wert der Nuggets, durch viele Erfahrungen und Eindrücke entschädigt, die man nur im „Goldrausch“ erleben kann und die uns den Blick erweitern für eine neue Sicht der phantastischen Gegend am anderen Ende der Welt.
Ein Traum von Jade
In einer ruhigen Nacht neben dem Lagerfeuer, liegen die Strapazen des Goldwaschens weit zurück, die Freude und die Nuggets im kleinen Lederbeutel sind geblieben. Die Vorfreude auf Morgen, wenn wir mit dem Kanu weiterreisen, lässt mich bald einschlafen.
Im Traum ziehen die hinter mir liegenden Stationen der Reise vorbei: Von Greymouth aus fuhren wir südwärts; haben uns mit jeder weiteren Kurve entlang der zerklüfteten Küste in die Wildheit und Schönheit des südneuseeländischen Gebirges vorgetastet und standen, nach einer kurzen Wanderung, plötzlich vor der kalten Zunge des Franz-Josef-Gletschers. Vor noch nicht allzu langer Zeit reichte der imposante Gletscher knapp ans Meer. In der Nähe der Stelle, wo sich salziges Wasser mit süssem, gefrorenem Wasser vermählte, haben die Maoris, die Ureinwohner Neuseelands Nephrit gefunden. Dieser Verwandte des grünen Steins der Jade war für sie Rohmaterial für Werkzeuge aber auch Ausgangsstoff für Kultgegenstände.
Auf einer noch keine hundert Jahre alten Strasse gelangten wir über einen nach einem deutschen Forscher benannten Gebirgspass landeinwärts. Wir liessen die tosende Brandung der Küste hinter uns und tauchten ein in die scheinbar unantastbare Ruhe von glasklaren Flüssen und tiefen Seen, die auf dem Weg nach Queenstown liegen. Queenstown wurde zu unserem „Heimathafen“. Von hier aus konnten die nächsten Abenteuer im Goldwaschen, Angeln und Kanufahren losgehen.
Der lustige Gesang eines Bellbirds weckt mich mit den ersten Sonnenstrahlen, die das Tau auf den Gräsern in den beginnenden Tag entlassen.
Frische Fische
An einem kleinen See angeln wir. Unser Reiseleiter Daniel, der mit der Goldwaschpfanne ebenso gut umgehen kann wie mit der Angelrute, zeigt uns die Tricks, mit denen man Fische fängt. Und tatsächlich: Auch der blutigste Anfänger unter uns ist erfolgreich. Wir fangen riesige Forellen aber auch die in Europa begehrten und teuren Flussbarsche, entkommen uns nicht. Im Gegenteil. Innert kürzester Zeit haben wir so viele Fische gefangen, dass es für das Mittag- und Abendessen reicht. Diese Fische könnte man in keinem Restaurant Neuseelands bestellen, das Gesetz verbietet es. Doch was man selber fängt darf man natürlich auch selber essen und die selber gefangenen Fische schmecken sowieso am besten.
Wir stehen früh auf – den weltberühmten Milford Track wollen wir durchwandern, sehen und erleben was schon viele Reisende vor uns als „die Schatzkammer der Natur“ bezeichneten. Das liesse sich eigentlich von ganz Neuseeland sagen, denn die Auswahl an verschiedenen Juwelen, wie bizarre Vulkanlandschaften, eine Tierwelt, die sich zu Wasser und zu Land mit wenig Scheu zeigt, schroffe Gebirge, saftige Ebenen und eine intakte atemberaubende Vegetation, und – die Auswahl ist riesig. Etwas mehr als 53 Kilometer Wildnis liegen vor uns.
Dank den Übernachtungsmöglichkeiten in mehreren Hütten entlang des Weges, kann der Track in angemessenen Tagesetappen angegangen werden. Innert kurzer Zeit wandern wir durch hochgebirgsähnliche Welten, mit steilen Bergen, wo das Weiss des Schnees mit dem saftigen Grün der darunter liegenden Wälder kontrastiert. Entlang des Pfades liegen mehrere Wasserfälle.
Bedingt durch das Wetter, das so wechselhaft sein kann wie die Landschaft, verändert sich deren Intensität. Ungezähmt sucht sich das eiskalte Wasser den Weg in die Tiefe, zerstäubt als silbriger Regen auf den glatten Felsen und lässt die feuchte Luft im Tal erzittern. Abends in den einfachen Hütten trifft sich eine international zusammen gewürfelte Gästeschar. Aus allen Ländern sind Leute unterwegs, getrieben von dem Bedürfnis Natur pur zu erleben.
Am Ende des mehrtägigen Trekkings liegt der Milford Sound vor uns, von steilen Bergflanken gesäumt, das Tor zum Meer und für uns der Beginn des Abschieds.
Nach dem Abheben vom Airport durchsticht das Flugzeug eine dichte Wolkenbank und versperrt mir kurz den Blick zurück auf eine Insel, die ich wiederbesuchen werde. Kurz darauf blendet mich die Sonne im blauen Himmel. Unter mir liegt eine lange, weisse Wolke; und darunter „Aotearoa“ – „das Land der langen weissen Wolke“. So nannten die Maoris ihr Land vor Jahrhunderten und der Name ist geblieben, für die ersten Besucher, Siedler und für uns.