Goldrush Alaska 1998
Ein Reisebericht von Daniel Gerber
Per Alaska-Railroad zum Denali-Nationalpark
Unterwegs im Schlauchboot
Am Claim
Nasse Fahrt und nasses Wetter
Zurück am Claim
Goldfund einer anderen Art
Per Alaska-Railroad zum Denali-Nationalpark
Am 9. Juli fliegen ein Kollege und ich von Zürich nach Anchorage. Aus dem Direktflug wird leider nichts. Die Maschine hat zuviel geladen und zudem herrscht starker Gegenwind. In Schottland müssen wir deshalb zwischenlanden und auftanken. Ansonsten verläuft der Flug aber reibungslos.
In Anchorage treffen wir auf die restlichen Teilnehmer, darunter einen Bekannten, der schon bei mir in Neuseeland auf einer Tour mit dabei war. Nach einer Übernachtung in einem B&B (Bed & Breakfast) geht es am nächsten Morgen per Alaska Railroad Richtung Norden. Bei strahlend blauem Himmel geniessen wir schon bald den Ausblick auf den imposanten Bergriesen Mt. McKinley und seine Nachbarn. Die grandiose Aussicht begleitet uns während einer ganzen Weile, was sich auch am Zählwerk des Fotoapparates ersehen lässt. Ein weiteres Ah und Oh geht durch den ganzen Zug, als wir eine schwindelerregend hohe Brücke im Schneckentempo überqueren. Sicherlich hundert Meter tiefer, im glasklaren Wasser, tummeln sich Dutzende von rotgefärbten Königslachsen. Für wie viele Tage vervollständigen sie wohl noch dieses Bild? Vermutlich nicht mehr allzu lange, denn nach dem Ablaichen und dem sicheren Tod durch Erschöpfung werden sie schon bald zur Nahrungskette gehören, die manch anderen Tieren das Überleben überhaupt ermöglicht.
Im Denali National Park können wir ganz in der Nähe des Bahnhofs unsere Zelte aufstellen. Sämtliches Gepäck, ausgenommen unsere Schlafsäcke und die Schlafbekleidung, wird in bärensicheren Containern untergebracht.
Am nächsten Vormittag heisst es früh aufstehen, um unseren gebuchten Bus, der uns tief in den Park bringen soll, nicht zu verpassen. Wie hunderttausende amerikanische Schulkinder nehmen wir also unsere Plätze in diesem schulbusähnlichen Ding ein. Einen Fensterplatz ergattert zu haben, erweist sich schon bald als Vorteil, denn bei jedem Tier, das gesichtet wird, hält der Fahrer an und sogleich werden die Fenster sachte geöffnet und die Videokameras beginnen zu surren, bzw. die Fotoapparate zu klicken. Elche, Bären, Rentiere und Schneehühner im Sommerkleid säumen den Weg und lassen unsere doch fast 16-stündige Tour nie langweilig werden. Der Berg, an dem schon viele erfahrene Alpinisten gescheitert sind, zeigt sich heute gänzlich Wolkenverhangen.
Am nächsten Tag bringt uns die legendäre Alaska Railroad weiter bis nach Fairbanks. Diesmal treffen wir sogar pünktlich ein. Denn auch in Alaska kommt es schon einmal vor, dass, wie in Italien, der Lokführer plötzlich den Zug anhält und einen Ersatz-Lokführer verlangt, weil er maximal eine bestimmte Anzahl Stunden am Steuer des Zuges sitzen darf und, wenn diese überschritten ist, er dem Gesetz nachdrücklich Beachtung schenkt.....!
In Fairbanks haben wir Zeit, unsere Ausrüstung zu vervollständigen und unsere Lebensmittel für die nächsten Wochen einzukaufen. Im Ausrüstungsladen für Goldwäscher habe ich Mühe, die Leute wieder rauszukriegen.
Unterwegs mit dem Schlauchboot
Die nächste Etappe bringt uns mit einem Buschflugzeug über den Yukon River und den Polarkreis. Die Tage sind wirklich erheblich länger geworden und die Sonne geht kaum je unter. In Coldfoot werden wir bereits von einem anderen Flugzeug erwartet, das unser Gepäck nach dem Umladen zusammen mit den Schlauchbooten direkt zum Fluss transportiert, der neben der Start/Landepiste vorbei fliesst. Taxidienst auf Alaska-Art. Bis die Boote aufgepumpt und beladen sind, vergeht eine ganze Weile, die einige von uns dazu nutzen, um der silbernen Schlange, der Trans-Alaska-Pipeline, einen Besuch aus nächster Nähe abzustatten. Doch auch diejenigen, die sich nicht von den Vorbereitungen trennen konnten, bekommen sie eine Stunde später vom Fluss aus zu sehen. Auf einer kurzen Distanz verläuft sie nämlich direkt dem Fluss entlang.
Die erste Nacht am Fluss mag für einige von uns etwas ganz Besonderes sein. Mit dem Wissen im Gepäck, dass wir diese Gegend mit wilden Tieren teilen müssen, zeigt manch einer gewisse Anzeichen von Nervosität, die ich mit genauen Verhaltensregeln zu nehmen versuche. Die weisen Tipps, die in einigen Büchern über das Verhalten in der Wildnis aufgeführt sind, z.B. man solle die Lebensmittel in einen Baum hängen, zeugen von Unwissenheit und bestärken mich jeweils in der Annahme, dass der Verfasser des Buches wohl kaum je ganz im Norden gewesen sein kann. Bäume, deren Äste stark und gross genug sind, einen zentnerschweren Sack zu tragen, gibt es nämlich schlicht und einfach kaum in diesen Regionen. Aus Vorsichtsgründen stellen wir unsere Zelte deshalb immer genügend weit weg von der "Küche" auf und nichts, aber auch gar nichts an Lebensmitteln und Toilettenartikeln kommt mit ins Zelt. Einzig und alleine Pyjama, Schlafsack, Liegematte und "Bärenspray", der die Nerven beruhigt und uns wie die Murmeltiere in der hellen Nacht schlafen lässt.
Die nächsten Tage lassen wir uns auf dem Fluss, dem Middle Fork Koyukuk, Richtung Bettles treiben. Ein Japanisches Paar auf Hochzeitsreise ist mit von der Partie. Mit im Gepäck haben sie ihre Hightech Insektenschutzmittel, die mittels Schalltönen (für uns unhörbar) oder Rauch die wenigen Stechmücken vertreiben oder am Stechen hindern sollen. Doch anscheinend erreichen sie damit eher das Gegenteil. Wer nämlich am häufigsten rumfuchtelt, die meisten Stiche zu verzeichnen und anscheinend umschwärmt zu sein scheint, sind die beiden.
Der Rest der Gruppe erfreut sich an den hochsommerlichen Temperaturen, die das Tragen von T-Shirts und Shorts bis in die späten Abendstunden möglich machen. Die Zeit vertreiben wir uns auf der Fahrt mit Angeln, leider ohne grossen Erfolg, gelegentlichem Paddeln, um uns gegenseitig nicht aus den Augen zu verlieren, Fotografieren und Goldwaschen. Im Durchschnitt verbringen wir ca. 5-6 Stunden täglich auf dem Wasser und legen dabei jeweils ca. 20 km zurück.
In Bettles angekommen, heisst es von unseren neu gewonnenen Japanischen Freunden Abschied nehmen. Das Gepäck und die Lebensmittel müssen neu zusammengestellt und verpackt werden, bevor wir uns am nächsten Tag zum Claim ausfliegen lassen.
Am Claim
Über Nacht hat sich das Wetter schlagartig geändert. Der Pilot wagt es gerade noch, mich zusammen mit dem Gepäck und den Lebensmitteln auszufliegen. Anschliessend heisst es abwarten und Tee trinken. Es regnet zwar zeitweise, doch scheint das Wetter am anderen Ende, ca. 70km entfernt, einiges schlechter zu sein. Schliesslich, im Verlauf des Nachmittags, landen auch die andern auf der einfachen Graspiste direkt vor dem Haus des ehemaligen Goldschürfers Bill. Zwei weitere Schweizer sind nun noch dazu gestossen; aus der Schweiz eingeflogen, um während fünf Tagen in der Wildnis Alaskas nach dem gelben Metall zu suchen.
Glücklicherweise bekommen wir Unterstützung bei der Beförderung unseres Gepäcks zum Camp, welches wir in der Nähe unserer geplanten Schürfstellen aufstellen wollen. Andy, unser Helfer, transportiert einen Grossteil der Ausrüstung per dreirädrigem Motorrad und Anhänger entlang des Baches hoch. X-Mal muss die Ware jedoch bei der Durchquerung desselben ab- und wieder aufgeladen werden. Die Rucksäcke werden von uns getragen, und nun können wir uns auch lebhaft vorstellen, wie es vor hundert Jahren den Leuten am Chilkoot-Pass ergangen sein muss, die ein bestimmtes Gewicht an Lebensmitteln und Ausrüstung zur kanadischen Grenze hochschleppen mussten und dort kontrolliert wurden.
Mit vereinten Kräften schaffen wir es in relativ kurzer Zeit, stellen unser Nachtlager auf und überdecken das Küchenlager mit einer Plane. Holz muss gesammelt werden und schon bald brutzeln saftige Steaks auf dem Grill. Die Leute können es kaum erwarten mit dem Nachtessen fertig zu sein, um das erste Mal die Goldwaschpfanne ins Wasser tauchen zu können.
Mittlerweile ist es 22 Uhr, die Gruppe löst sich auf und jeder will sein Glück versuchen. Bis ich meinen Metalldetektor zusammengebaut habe, sind die andern schon lange am Graben und Waschen. Den Vorsprung habe ich mit meiner elektronischen Spürnase aber schon bald wettgemacht. Kaum habe ich mein Gerät an einer verheissungsvollen Stelle eingeschaltet, kommen auch schon die Töne aus dem Kopfhörer, die ich am liebsten höre. Ein nicht allzu schriller, dafür aber sehr markanter Ton, welcher auf Gold oder Blei schliessen lässt. Keine zwei Minuten vergehen, und in der Pfanne glänzt es goldig gelb. Aus den anfänglich grossen Flittern werden schon bald kleinere Nuggets. Jede Spalte scheint verheissungsvoll zu sein, und es dauert nicht lange und die andern gesellen sich zu mir und wollen auch am Glück teilhaben. Freudenschreie unterbrechen das Plätschern des Baches, und innert weniger Stunden hat jeder einige Gramm Gold in seinem Behälter. Es ist zwei Uhr in der Früh, als wir uns schweren Herzens ins Lager zurückziehen. Doch Morgen ist auch noch ein Tag, und mit goldigen Träumen legen wir uns in den Schlafsack.
Auch der nächste Tag hält, was er verspricht. Kaum machen wir uns an der gestern gefundenen Stelle zu schaffen, kommen weitere Nuggets zum Vorschein. Über den Ertrag erfreut, mache ich mich jedoch auf zu hoffentlich noch grösseren Nuggets. Während die anderen eifrig ihre Schleusen füllen, schwinge ich den Detektor auf der gegenüberliegenden Bachseite übers Wasser und den sichtbaren und vielfach herausragenden Bedrock. Kaum zu glauben, aber da glänzt doch tatsächlich etwas Gelbes im Wasser und der Ton im Ohr gibt mir die Gewissheit, dass es Gold ist. Kurz mit der Hand ins Wasser getaucht, glänzt auch schon ein weiteres Nugget in der Hand. Nicht viel weiter oben steckt noch eins in einer Spalte. Auch dieser Tag endet für mich sehr erfolgreich, obschon das Graben vielfach höchstens mit Altmetall belohnt wird. Für den nächsten Tag habe ich mit Andy abgemacht, weiter den Bach hochzugehen, bis zu der Stelle, an der Bill zuletzt mit seiner grossen Schleuse gearbeitet hat. Erst von diesem Punkt an will ich den neuen, erst vor kurzer Zeit gekauften Detektor einsetzen. Unglaubliche Dinge habe ich von diesem Gerät schon gehört ...
Einige können sich nicht von der ausgiebigen Stelle trennen und so kommt nur ein Teil der Gruppe mit hoch. Das Schleppen der Ausrüstung, die Bachdurchquerungen und die Distanz machen sich bei einigen rasch bemerkbar. Mit dem Detektor spüre ich erneut eine viel versprechende Stelle auf. Andy und ich wollen jedoch noch weiter hoch. Nach über einer Stunde Fussmarsch erreichen wir die Stelle, wo Bill seine Schleuse hat stehen lassen und wo sie jetzt langsam vor sich hin rostet. Bis hierher hat er sich also vorgearbeitet und jede Saison einige Kilo Gold aus dem Flusskies herausgewaschen. Die Spuren seiner modernen Hilfsmittel wie Bagger und Bulldozer sind auch heute noch gut sichtbar, sind es doch erst einige Jahre her, seit er sich nicht mehr damit beschäftigt. Gold scheint es für uns Hobbyschürfer aber immer noch genügend zu haben. Kaum haben Andy und ich diese Stelle hinter uns gelassen, lacht mich schon wieder ein schönes Nugget auf dem nackten Bedrock liegend an. Ich brauche es nur aufzuheben. Sicherlich 2-3 Gramm schwer. Dann geht es Schlag auf Schlag. Ein Signal nach dem andern gibt der Detektor von sich. Ich habe Mühe, mich zu entscheiden, an welcher Stelle wir zuerst graben sollen. Wir kommen uns vor wie im Schlaraffenland: jedes Signal ein Nugget und schlussendlich kann ich das elektronische Gerät zur Seite legen. Unter dicken Schieferplatten hat sich viel versprechendes Material angesammelt. In jeder Pfanne liegen einige grössere Goldflitter und vielfach kleinere und grössere Nuggets. Es dauert nicht lange, und zwei Kollegen, die von noch grösseren Funden geträumt haben, leisten uns Gesellschaft. Abwechselnd werden die Pfannen gefüllt, und wieder einmal steht das Glück auf meiner Seite. Ein schönes Fünf-Gramm-Stück liegt zuoberst in der Pfanne und wartet darauf, dass ich es aufhebe. Die Jubelschreie sind heute noch lauter, als am ersten Abend. Andy jedoch übertrifft uns alle mit dem Fund eines über drei Gramm schweren und wunderschönen Silbernuggets.
Am Abend zeigt die Waage zu unserer Überraschung über eine Unze an. Selbstverständlich werden schon Pläne für morgen geschmiedet, um erneut an diese Stelle zurückzukehren und gemeinsam vorzugehen.
Gleich nach dem Frühstück machen wir uns zu fünft auf den Weg. Die beiden Ältesten gehen das Ganze etwas ruhiger an und stossen zu uns, nachdem wir schon etliche schöne Nuggets bejubelt haben. Damit keine Diskussionen beim Goldteilen aufkommen werden, machen sie sich etwas flussaufwärts an einer Stelle zu schaffen, wo ich in ca. 50 cm Wassertiefe ein Signal gehabt habe; zuerst ohne grosse Begeisterung, da die Strömung dort recht stark ist. Unser Team bricht eine Schieferplatte nach der andern auf und ich kontrolliere von Zeit zu Zeit mit dem Detektor, ob sich dort noch etwas Lohnenswertes befindet. Dazwischen zieht es mich immer wieder flussaufwärts zu einem recht gradlinig verlaufenden Bachabschnitt. Ob auf der linken oder rechten Seite, überall ertönen Signale und verstummen, wenn wieder ein Goldstück weniger im Geschiebe zurück bleibt. Nicht erstaunlich, dass die Waage am Abend 36 Gramm anzeigt. Auch Manfred und Horst sind mit ihrer Ausbeute von 10 Gramm ganz zufrieden.
Heute müssen uns Ernst und Peter schweren Herzens schon wieder verlassen. Wir dagegen, haben nochmals die Gelegenheit, auch den allerletzten Signalen richtig auf den Grund zu gehen. Ein Signal, das uns während Stunden beschäftigt hat, entpuppt sich schliesslich als 10,5 Gramm-Stück, welches selbst in 50 cm Wassertiefe im Sonnenlicht glänzend sichtbar ist. Die Unze verfehlen wir heute trotzdem ganz knapp.
Für den folgenden Tag haben sich Mani und ich das Tal ganz oben vorgenommen. Wir stehen früh auf und bereiten uns auf den langen Marsch vor. Ob wir wohl der Grizzly-Bärin mit ihren Jungen begegnen, deren Spuren einige von uns vor ein paar Tagen gesehen haben?
Nach dem Wasserfall, der leicht zu umgehen ist, und einem Goldgräbercamp älteren Datums öffnet sich das Tal zusehends, bevor es sich nach 3/4 Stunden Fussmarsch wieder zu einer kleinen Schlucht verengt. Die vielen Flussdurchquerungen und das Klettern über Stock und Stein zehren an unseren Kräften. Mit Mühe widerstehen wir jeglicher Versuchung, allzu früh mit dem Goldsuchen anzufangen. Nachdem wir zur Verzweigung des Baches kommen und die Stellen mit sichtbarem Bedrock immer seltener werden, entschliessen wir uns umzukehren und mit der Sucherei anzufangen. Ca. 7 km haben wir bis hierher zurückgelegt. Keine grosse Distanz auf einem gut angelegten Wanderweg. Hier, mitten in der Wildnis, aber eine richtige Herausforderung. Die wenigen Stellen, die uns interessant erscheinen, erweisen sich als unergiebig. Kaum ein Nachweis ist zu erbringen. Das einzige Nugget für heute finden wir Ausgangs einer Schlucht in einer Art Gletschermühle. Müde und ein wenig enttäuscht kehren wir abends ins Camp zurück. Die beiden andern haben uns heute mit ihren Funden übertroffen. Henning, unser Kollege vom Bayrischen Rundfunk, ist in der Zwischenzeit bereits auf dem Rückweg nach Deutschland.
Die nächsten Tage geht es ein wenig ruhiger zu und her. Die Rücken schmerzen von den Anstrengungen der letzten Tage, und die besten Stellen scheinen abgesucht zu sein. Insgeheim zwinge ich mich aber dazu, noch einige Orte unangetastet zu lassen, damit ich auch noch mit der nächsten Gruppe etwas finden werde. Wie weise dieser Entscheid war, zeigt sich 10 Tage später.
Nach zehn Tagen am Crevice Creek heisst es auch für uns Abschied nehmen. Ich übernehme eine Gruppe, die vor einigen Tagen zum Hunt Fork Lake hochgeflogen ist und in Obhut von Hajot per Schlauchboot den John River hinunter gepaddelt ist. Meine Kollegen fliegen abends mit einiger Verspätung per Cessna zurück nach Bettles.
Während den nächsten Tagen auf dem Fluss kann ich mich ein wenig von den Anstrengungen beim Goldwaschen erholen.
Nasse Fahrt und nasses Wetter
Kaum in Bettles angekommen, fliege ich gleich am nächsten Tag wieder nach Coldfoot, um erneut eine Gruppe in Empfang zu nehmen. Das Ganze kann von vorne beginnen. Diesmal haben wir ein Schlauchboot und zwei Kanus. Bei der Instruktion mache ich die Kanufahrer darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, nach ca. 50m auf dem Wasser auf den seitlich einmündenden Hauptarm acht zu geben, um nicht gegen die künstlich mit Felsblöcken aufgeschüttete Uferböschung getrieben zu werden. Das erste Boot schafft es problemlos, doch beim Zurückblicken sehen wir, dass das andere Boot in Schwierigkeiten kommt und mit der Spitze zwischen zwei Felsblöcke gerät. Alles geht blitzschnell, das Kanu kippt und die beiden gehen über Bord. Zum Glück tragen sie Schwimmwesten. Mit vereinten Kräften kann das Boot aufgerichtet und auf die nächste Kiesbank gezogen werden. Gut, dass das Gepäck angebunden war. Vieles ist zwar nass, doch nichts verloren. Einige Aluteile des Bootgestells sind abgebrochen oder verschwunden. Die Aussenhaut ist dafür noch intakt und mit einem grünen Ast und starkem Klebeband ist der grösste Schaden schnell behoben. Allzu weit kommen wir heute nicht mehr, denn mittlerweile ist es schon recht spät. Wir schlagen an einer geeigneten Stelle unsere Zelte auf und die beiden Pechvögel legen ihre nassen Sachen zum Trocknen aus. Mitten in der Nacht wecken mich plötzlich Regentropfen und der am Zelt rüttelnde Wind. Auch die andern hat der Wind aufgeweckt. Unsere grosse Zeltplane liegt am Boden, der Regen peitscht uns ins Gesicht. Mit vereinten Kräften beschweren wir die Plane, die wir über unser sämtliches Gepäck gelegt haben. Alsdann rennen alle zurück zu ihren Zelten.
Mit dem Aufstehen haben wir es am Morgen nicht sehr eilig. Erst als es nicht mehr aufs Zelt prasselt, stehen wir auf. Wir haben gerade Zeit zum Frühstücken und schon fängt es wieder an zu giessen. Die nächsten Tage bleiben eher Wolkenverhangen mit gelegentlichen Regengüssen. Trotzdem ist die Stimmung in der Gruppe sehr gut und wir kommen eines Abends dazu, Brot und Pizza zu backen. Alle sind begeistert. Qualitativ und quantitativ könnten wir manch einer Pizzeria die Stange halten und dies mit einfachsten Hilfsmitteln. Am nächsten Morgen kommt der Fluss fast bis zu unserem Küchenzelt. Einige sind froh, am Abend meine Ratschläge befolgt zu haben, sonst wäre unser Gepäck jetzt im Wasser oder ein Kanu von alleine davongetrieben.
Der letzte Tag auf dem Fluss verläuft trotz des teilweise prasselnden Regens lustig. Während dem Frühstücken haben wir Kartoffeln gekocht und Sylvia hat eine wunderbare Salatsauce zubereitet. Der fertige Kartoffelsalat begleitet uns nun, abgepackt im grossen Kochtopf, nach Bettles. Fürs Nachtessen haben wir also schon vorgesorgt. Den Schnittlauch, welchen Sylvia beim Zubereiten der Sauce vermisst hat, pflücken wir auf einer kleinen Insel, wildwachsend bei der Einmündung des Wild Rivers.
Zurück in Bettles habe ich wieder einmal die Möglichkeit, ein Bier zu trinken und in einem normalen Bett zu schlafen, doch die Umstellung fällt mir schwer.
Zurück am Claim
Am Vormittag des 5. August verabschiede ich mich von meiner fröhlichen Truppe. Die beiden Teilnehmer für die heute beginnende Goldwäscher-Tour sind auch bereits aus Fairbanks eingetroffen. Schon bald steht sämtliches Gepäck bereit und wird von einem Angestellten der Bettles Lodge ins Flugzeug geladen.
Nach 30 Minuten Flugzeit sind wir bereits wieder mitten in der Wildnis. Sanft setzt der Pilot die Maschine auf der Graspiste von Bill auf. Auch diesmal haben wir Glück und unser Gepäck kann per Anhänger, gezogen von einem dieser unentbehrlichen "Threewheeler", zu unserem Camp transportiert werden. Wir gehen wiederum zu Fuss. Leider ist der Wasserstand noch immer recht hoch und auch diesmal müssen wir einige Arme des mäandernden Baches durchqueren. Andy kommt uns schon bald entgegen und teilt uns stolz mit, das Gepäck sei bereits an Ort und Stelle abgeladen.
Wir stellen sogleich unsere Zelte auf und spannen wiederum die grosse Plane als Küchenzelt. Plötzlich stelle ich fest, dass mein grüner wasserfester Packsack mit fast meinem ganzen persönlichen Gepäck fehlt. Krampfhaft versuchen wir uns daran zu erinnern, wo wir den Sack das letzte Mal gesehen haben. Mit Sicherheit weiss ich, dass wir vor dem Verladen des Gepäcks ins Flugzeug noch unsere drei "Bärensprays" darin verstaut haben. Eigentlich hätte er somit als letztes ins Flugzeug geladen werden sollen. Für den Fall eines undichten Sprays hätte das Ganze sofort aus dem Flugzeug geworfen werden können. Ob er wohl immer noch in Bettles auf der Ladebrücke des Autos liegt? Jedenfalls können wir uns nicht mehr erinnern, ob wir ihn am Crevice Creek ausgeladen haben oder nicht. Funkkontakt nach Bettles haben wir keinen und somit bleibt der Sack samt seinem nützlichen und teilweise wertvollen Inhalt verschollen.
Josef und Toni werden an diesem Nachmittag erstmals im Umgang mit der Schleuse vertraut gemacht. Für Josef ist es zudem das erste Mal, dass er eine Goldwaschpfanne in den Händen hält. Auch er muss feststellen: aller Anfang ist schwer. Die Stelle, an der ich mit der letzten Gruppe sehr ergiebig gewaschen habe, scheint fast erschöpft zu sein und so machen wir uns auch diesmal wieder auf den Weg, um unser Glück flussaufwärts zu finden.
Der Platz, an dem ich mit Mani als letztes gearbeitet habe, scheint dafür noch einige Nuggets versteckt zu halten, doch zuerst muss viel Geschiebe weggeschaufelt werden, um auf den Bedrock zu gelangen. Für den ersten Tag sind wir ganz zufrieden. Müde kehren wir zu unserem Camp zurück, um am Feuer unser Essen zuzubereiten.
Der nächste Tag fängt nicht sehr viel versprechend an. Die Wolken hängen tief und es sieht nach Regen aus. Kaum beginnen wir unsere Arbeit dort fortzusetzen, wo wir gestern aufgehört haben, fängt es tatsächlich auch schon ziemlich stark an zu regnen. Wir brechen ab und begeben uns ins Camp zurück, denn die elektronisch funktionierenden Detektoren mögen feuchte Luft auch nicht besonders.
Den ganzen Nachmittag sitzen wir am Lagerfeuer, trocknen unsere nassen Kleider und warten darauf, dass der Regen nachlässt oder aufhört. Gegen Abend, der Regen hat noch immer nicht nachgelassen, suchen wir die wenigen flussabwärts liegenden Stellen mit sichtbarem Bedrock ab. Leider ohne Erfolg. Altmetall finden wir dagegen mehr als genug, doch das gelbe Metall lässt sich heute nicht blicken.
In der Nacht hört es irgendwann mal auf zu regnen. Der Wasserstand ist leider etwas angestiegen und macht unsere Arbeit nicht gerade einfacher. Während meine Kollegen weiter mit der Schleuse arbeiten, mache ich mich auf die Suche nach den vor zehn Tagen unangetasteten Plätzen. Mit dem grossen Minelab Detektor in der Hand, die schwere Batterie im Rucksack verstaut, kann es losgehen. Ich habe festgestellt, dass es mit soviel Gepäck am einfachsten ist, die erhaltenen Signale auf dem Boden zu markieren, und nach einer gewissen abgesuchten Strecke zurückzukehren. Mit Hilfe der Kollegen kann den Signalen dann richtig auf den Grund gegangen werden.
Der jungfräuliche Boden hält tatsächlich, was er versprochen hat, und bei fast allen von mir markierten Stellen kommen Nuggets zum Vorschein. Einige sind in Minuten oder zum Teil Sekunden am Tageslicht, bei anderen ist eine Menge Arbeit und Kraft erforderlich. Manchmal müssen zuerst riesige Felsplatten verschoben werden, um an das wertvolle Material zu gelangen. Unter einer einzigen solchen Platte holen wir fast eine halbe Unze Nuggets hervor. Noch heute können wir uns kaum vorstellen, wie das Gold den Weg an diesen Ort überhaupt geschafft hat. Nicht viel hat gefehlt, und wir hätten die unmissverständlichen Signale des Detektors als Signale von eisenhaltigem Gestein abgetan.
Auch am nächsten Tag arbeiten wir uns flussaufwärts vor. Stellen, über die wir vor kaum vierzehn Tagen täglich marschiert sind, erweisen sich als sehr ergiebig. Einige wenige Nuggets sind von blossem Auge erkennbar. In einer Spalte klemmend, könnte man sie mit einem Eisberg vergleichen, der nur ganz wenig aus dem Wasser reicht. Grösstenteils kommen Nuggets zum Vorschein. Flitter scheinen sich hier nicht so zahlreich abgelagert zu haben.
Am letzten Tag haben wir uns zum Ziel gesetzt, noch zehn Gramm zu finden. Damit würden wir stolze zwei Unzen haben, die wir zu dritt teilen könnten. Früh stehen wir auf, um dieses Ziel in Angriff zu nehmen. Jedes Stück zählt, doch wir zweifeln an uns selber, ob wir es schaffen werden. Zum Schluss sind wir bei der Stelle angelangt, welche mit der anderen Gruppe so viel Spass gemacht hat. Selbst jetzt, nach tagelangem Suchen, kommen immer noch kleinere Nuggets zum Vorschein. Das letzte Stück, das wir schon zwischen den Fingern haben und denken, es gehöre uns, lässt sich schlichtweg nicht aus der Spalte ziehen. Selbst mit dem Schraubenzieher kriegen wir es nicht raus. Beim Versuch, die Spalte aufzudrücken, fällt es plötzlich tiefer und ist auf einmal weg. Na, dann tschüss.... . Ich kann es kaum glauben und will nicht so rasch aufgeben, doch wir kommen nicht mehr weiter, können die riesige Platte nicht bewegen und müssen schliesslich das letzte Stück den Glücksgöttern überlassen, denn die Zeit drängt. Wir müssen ins Camp zurück, alles abbrechen und zusammenpacken.
Goldfund einer andern Art
Das Flugzeug holt uns recht pünktlich am Nachmittag ab. Zurück in Bettles bin ich natürlich gespannt, ob mein Gepäck mit meinem Pass, der Fotoausrüstung und den zwei Unzen Gold vom ersten Trip, aufgetaucht ist. Die Enttäuschung ist gross, als uns niemand sagen kann, wo sich der Sack befindet. Leute werden befragt, Vermutungen angestellt, doch wir werden nicht klüger. Das Schweizer Konsulat in San Francisco wird eingeschaltet, um einen Ersatzpass zu beantragen, die Polizei in Fairbanks verständigt und die American Express Zentrale in London wird über den Verlust meiner Traveller Cheques informiert. Eine Hoffnung nach der andern über das Auftauchen des Sackes schwindet. Am letzten Tag vor dem Rückflug nach Fairbanks chartern Rolf und Irène Meyer und ich eine Cessna, um Erkundigungen für unsere Tour im Sommer 99 einzuholen. Auf dem Rückflug verbleibt uns gerade noch genügend Tageslicht, um über den Crevice Creek zu fliegen. Der Platz, an dem wir das Camp aufgeschlagen hatten, liegt bereits hinter uns, als Rolf, neben dem Piloten sitzend, aufschreit: "Dort ist der Sack!" Der Pilot wendet sogleich die Maschine. Wir werden in unsere Sitze gedrückt und ich kann es kaum glauben, als ich den grünen Sack mitten im Bach liegen sehe. Nach der Landung auf der altbekannten Piste des Crevice Creeks kommen uns Bill und Andy entgegen. Mit fragenden Augen blicken sie uns an und wollen wissen, was uns denn wieder zurück bringe. Andy möchte nach meinen Erklärungen am liebsten in den Boden versinken, denn schliesslich ist ihm der Sack vom Anhänger gefallen, als er einen Seitenarm durchquert hatte. Noch vor wenigen Tagen hielt er diese Theorie für unwahrscheinlich. Per Threewheeler fahren wir zusammen hoch. Von der Luft aus war der Sack gut ersichtlich. Jetzt haben wir einige Mühe, bis wir ihn schliesslich finden. Zwar ist alles klatschnass, doch ich bin überglücklich, meine Ware wieder zu besitzen und in der Lage zu sein, dank meines wieder gefundenen Passes meine Reise noch wie geplant fortsetzen zu können.
Josef und Toni sind in der Zwischenzeit auf dem Noatak Fluss unterwegs, auf der Suche nach noch grösseren Abenteuern ...... .
Auch für mich steht fest, die Gegend um die Brooks Range hält noch manches Nugget versteckt und wird auch im Sommer 99 eine Reise wert sein. Vielleicht kommen ja noch grössere Goldklumpen zum Vorschein.